Ermittlungen

Ja, die Familie hat einen schweren Schicksalsschlag zu ertragen. Nicht genug damit, keiner der Familie hat geglaubt, dass es so schwer/unmöglich sein wird, Hilfen von Stellen/Behörden/Einrichtungen zu erhalten, die helfen könnten bzw. einen Amtsauftrag haben.

Anfangs glaubte ich, dass "die Mühlen der Gerechtigkeit" langsam laufen würden und ich mich gedulden müßte. Schlaue Menschen rieten dazu, aufzupassen, dass nichts verschleppt oder niedergelegt wird. So ein Quatsch - glaubte ich damals - wenn es um ein Menschenleben geht, hat jede Behörde ein Interesse und eine Pflicht, korrekt zu ermitteln und für Gerechtigkeit und Aufklärung zu sorgen. Ich lebe ja in einem Rechtstaat und das wird in Griechenland nicht anders sein. Immerhin sind beide Länder EU-Länder.

Sehr sehr falsch gedacht!

Wir haben, nachdem wir die Information erhalten haben, dass unsere Tochter tot aufgefunden wurde, noch nicht einmal daran gedacht, dass der Grieche "Akis" (nennen wir den Griechen mal mit seinem "Künstlernamen") schuld am Tod unserer Tochter trägt. Wir glaubten aber auch nicht an einen Suizid. Wir konnten uns einen Unfall im Streit vorstellen. Susan war sehr temperamentvoll und der Grieche auch.
Wir haben mehrmals versucht den Akis per Telefon in Athen zu erreichen. Den Anrufbeantworter hat Susan besprochen. Was schon komisch, ihre Stimme zu hören, wenn man weiß, dass sie tot ist. Wir hinterließen regelmäßig eine Nachricht in deutscher Sprache auf dem AB und nannten unsere Rückrufnummer. Wie baten darum, uns anzurufen. Wir wollten wissen, was passiert ist und wie wir an die Sachen unserer Tochter kommen. Wir hatten auf eine Kooperation mit Akis gehofft.
Wir erhielten niemals einen Rückruf oder irgendeinen Hinweis, dass Akis Kontakt mit uns aufnehmen wolle. Die Schwester von Susan vermutete, dass Akis nicht ausreichend deutsch sprechen würde und nicht verstanden hat, was wir wollten. Wir wußten allerdings von Susan, dass er die deutsche Sprache einigermaßen konnte und oft auch in Deutschland war.
Zur Sicherheit sprach Michaela noch einmal auf den AB -- wieder keine Rückantwort.

Dann erfuhren wir über unseren Rechtsanwalt, dass Akis, als er erfuhr, dass die Eltern aus Deutschland  "Wellen machten", sich eine Bescheinigung von den griechischen Behörden holte, dass der Leichnam sofort von ihm beerdigt werden mußte, weil die Temperaturen in Griechenland so hoch waren, dass eine Gefahr für die Bevölkerung bestehen könnte.

RA V.G.: "Da muß viel Geld geflossen sein, sonst wäre das nicht möglich."

Richtig, so sehen wir das auch, denn wir hatten ja bereits am 04. 07. dem Vertreter der deutschen Botschaft in Athen mitgeteilt, dass wir den Leichnam nach Deutschland überführt haben wollen. Wir gingen damals noch davon aus, dass der Leichnam sich noch in der Kühlhalle befinden würde.
Wir erfuhren dann von F. St., dass Susan bereits am 03. 07. 2007, morgens um 9.30 Uhr unter griechische Erde beerdigt wurde. Wir konnten das nicht glauben. Der Leichnam wurde ja erst am 02. 07. 2007 von der Rechtsmedizin freigegeben. Freigegeben (lt. Botschaft) für die Überführung nach Deutschland. Mit dem ADAC wurde der Transport bereits vorab besprochen.

F. St. äußerte im ersten Telefonat, dass sie den Akis darauf hingewiesen hat, die Eltern zu informieren, damit diese bei der Beerdigung dabei sind. Laut Aussage der F. St. waren viele fremde Leute bei der Beerdigung anwesend, die Susan gar nicht kannte.

Jetzt fingen wir in der Familie doch langsam an Fragen zu stellen. Der Akis geriet immer mehr in den Verdacht, mehr mit der Sache zu tun zu haben.
Wir hatten mit Susan den letzten telefonischen Kontakt im Mai 2007. Zu dem Zeitpunkt erschien sie uns sehr stabil. Sie berichtete von ihrem Musikkonzert in Athen, wie super alles gelaufen sei. Susan erzählte davon, dass sie bei Akis ausgezogen sei und noch in einer kleinen Frauen-WG wohnt. Das sei aber nur vorübergehend, sie hat zum 01. 07. 2007 eine schöne kleine 2-Raum-Wohnung angemietet und schon die erste Miete bezahlt. Sie hat auch schon eine Mitbewohnerin gefunden, die aber nur zwei Monate mit ihr in der Wohnung wohnen würde. Susan wollte eine Anzeige aufgeben, dass sie eine Mitbewohnerin sucht. Allerdings stand auch noch die Option offen, dass sie ihren Bruder Mirco nach Griechenland holen wollte.

Wir haben uns als Eltern an viele Opferhilfe-Stellen in Deutschland gewandt, mit der Bitte uns zu unterstützen. Dazu ist mehr im Auszug des Buches "Betroffene kommen zu Wort" zu lesen, um welche Einrichtungen es sich handelt.
Mit der Opferhilfe in Berlin habe ich lediglich versucht einen Informations- und Beratungstermin zu erhalten. Mir wurde sofort am Telefon mitgeteilt, dass sie nicht helfen könnten.
Dann haben wir uns an den Weißen Ring gewandt, weil die Botschaft uns mitteilte, dass wir einen Anwalt in Deutschland und einen Anwalt in Griechenland benötigen würden. Wir baten den Weißen Ring uns die Kosten für die nötige Reise nach Griechenland vorzustrecken, wir würden diese Gelder zurückzahlen. Wir mußten mit den Behörden in Griechenland Kontakt aufnehmen und einen Anwalt suchen. Der Weiße Ring hat das abgelehnt, ohne Begründung. Einen Beratungsgutschein für einen von ihnen vermittelten Anwalt haben wir erhalten. Der Anwalt R.W. entpuppte sich als Zivilrechtler (wir hatten damals keine Ahnung, welchen Anwalt wir brauchen und welchen nicht). Wir haben bei diesem Anwalt nur einen Termin gehabt. Wir konnten keine Informationen und Auskünfte erhalten und hatten keine Möglichkeit mehr, ihn aufzusuchen. Ich kündigte nach 1/2 Jahr die Mandantschaft. Der Anwalt hat sich später noch qualifiziert und ist heute Opferbeauftragter von Berlin.

Woher sollten wir einen Anwalt in Griechenland nehmen, wem konnten wir vertrauen, wie sind die Kosten? Fragen über Fragen ... die Rechtschutzversicherung hat uns einen Anwalt vermittelt. Dieser hat nach einem Jahr die Mandantschaft niedergelegt, weil er keine Zusammenarbeit mit den deutschen und griechischen Behörden feststellen kann * weil Frau Waade kein Schreiben unterschreibt, dass sie für alle Kosten selbst aufkommt * ... ja, und eigentlich ist er ja auch kein Strafrechtler, sondern Zivilrechtler und kennt sich mit solchen Fällen nicht aus.
Also erneute Anwaltssuche. Der griechische Strafrechtler V. G. hat sich des Falles sofort angenommen und war sehr erschrocken über die sehr dünne Akte. Er organisierte mit der Polizei meine Zeugenvernehmung in Griechenland. Nach einer langen Vernehmung - 9 Stunden - wollte der griechische Kriminalbeamte einen Haftbefehl bei der Staatsanwaltschaft beantragen ...
Der griechische Rechtsanwalt V.G. hat vom Akis die Wäschebeutel unserer Tochter entgegengenommen. Diese hat er der Polizei übergeben. Die Sichtung nahm einige Zeit in Anspruch. Dann wurden lt. Aussage vom RA V. G. drei griechische Briefe - wohl von Susan geschrieben, wie der RA vermutete - gefunden und beschlagnahmt. Der Anwalt erhielt keine Kenntnis über den Inhalt der Briefe, genauso wenig die Familie. Später, als in Griechenland die Akte Susan Waade bei der Staatsanwaltschaft geschlossen wurde, beantragte die Familie die Herausgabe der Briefe. Die Briefe waren verschwunden und nicht wieder auffindbar!!!

--
Zwischenzeitlich hat die Familie in Deutschland Kontakte mit anderen Betroffenenfamilien, die so ziemlich das Gleiche erlebten, wie wir. Einige Fälle auch im Ausland und einige im Inland. Keine dieser Familien erfuhr Hilfe, Unterstützung, Fairness und/oder Gerechtigkeit.

Eine Mutter, deren Tochter in Spanien auf die gleiche Weise, wie Susan in Griechenland zu Tode kam hatte schwere Probleme mit den Ungerechtigkeiten durch Behörden, sowie fehlende Ermittlungen klar zu kommen. Sie hat sich suizidiert. Ich war schockiert und sagte "jetzt platzt mir der Kragen, das kann doch alles nicht wahr sein. Ich gründe jetzt einen Verein". Mit anderen Betroffen und nichtbetroffenen Interessierten gründete ich den ANUAS e.V.

Einige Jahre später gründete der griechische RA in Griechenland einen eigenen Verein, allerdings für alle Opfer (überlebende Opfer und Mit-Opfer = Angehörige gewaltsamer Tötung).

Was ist jetzt in den Jahren eigentlich alles passiert? Das kann man auf den Folgeseiten lesen.